Irrsinn ohne Grenzen: Ärzte ohne Ahnung

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Ein Gastbeitrag von Sina Lorenz

[dropcap]V[/dropcap]ermutlich hat jeder hier schon mal von der Organisation “Ärzte ohne Grenzen” (Médecins Sans Frontières) gehört oder stellt sich bei dem Namen zumindest das darunter vor, was sie als Selbstbildnis gern der spendablen Öffentlichkeit vermittelt: “Als Teil des internationalen Netzwerkes verfolgt sie das Ziel, Menschen in Not ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung medizinisch zu helfen und zugleich öffentlich auf ihre Lage aufmerksam zu machen.”

Da geht es um medizinische Hilfe. Nicht um politische Hilfe, ökonomische Hilfe oder gar Hilfe bei persönlichen Transportproblemen. Es sind ja schließlich nicht Taxifahrer ohne Grenzen. Also eigentlich. Die Ärzte (ohne Grenzen, nicht die Band!) haben nämlich die Seefahrt für sich entdeckt. Sie betreiben u.a. die Schiffe Aquarius, Bourbon Argos, Dignity I und Prudence. Und das ist ein Problem. Denn diese Schiffe schippern nämlich bevorzugt vor der libyschen Küste herum. Man ahnt schon, welche unheilvolle Wendung das Ganze nimmt…

“Ärzte ohne Grenzen” hat sich nun überlegt, dass es vielleicht ganz gut wäre, die überaus berechtigten Fragen zu diesem Treiben in einer Art Dialog mit sich selbst zu beantworten. [1] Wer es schafft, dieses Pamphlet ohne Blutdruckprobleme zu lesen — Hut ab!

Ich hatte mir zunächst überlegt, das Punkt für Punkt abzuarbeiten und zu widerlegen, aber das Ganze wiederholt sich gebetsmühlenartig und diese Mischung aus Wunschdenken, Halbwahrheiten und alternativen Fakten ist erstaunlich ermüdend (das dürfte durchaus beabsichtigt sein). Daher nur einige exemplarische Perlen daraus: “Seit dem Beginn unseres Einsatzes im Jahr 2015 ist uns klar, dass Rettungsaktionen nicht die Lösung im Umgang mit Menschen auf der Flucht sind. Allerdings ist es im Moment die einzige Möglichkeit, noch mehr Todesfälle zu verhindern.”

Tja, das ist ein klassischer Denkfehler. Die Qualität (wenn man das Wort überhaupt verwenden will) der Fluchtvehikel nimmt nachweislich ab. Mittlerweile sind nicht hochseetaugliche Gummiboote eher der Standard als die Ausnahme. Damit steigt das Risiko für Todesfälle dramatisch an. Sie schreiben das übrigens selbst: “Die Zahlen der bei ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunkenen oder als vermisst gemeldeten Personen sind auf einem historischen Höchststand.”

Falls das so stimmt (dazu kommen wir gleich), deutet sich hier ein merkwürdiger Zusammenhang an. Ungefähr so wie zwischen der Zahl der niedergelassenen Ärzte und dem Krankenstand. Ist die Grundversorgung gesichert, werden die Menschen bei mehr Ärzten durchschnittlich kranker. Aber zurück ins Mittelmeer: “Dabei liegt die Zahl noch viel höher, denn niemand weiß, wie viele überfüllte Boote auf ihrem Weg von Libyen nach Italien gesunken sind, ohne eine Spur zu hinterlassen.”

Da stößt die Logik an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Wenigsten die hat welche. Wenn es niemand weiß, wie genau wird dann ermittelt, dass die Zahl “noch viel höher” ist? Wird das ausgewürfelt? Sie könnte ja auch viel niedriger sein.

“Sie fliehen vor Gewalt, Krieg, Verfolgung und Armut in ihren Herkunftsländern.”

Ja. Armut ist scheiße, aber kein Asylgrund. Das wird später noch wichtig. “Fun Fact” am Rande: Die Überfahrt kostet zwischen 1.000 und 8.000 US-Dollar. Am unteren Ende der Preisskala befindet sich die Gummibootklasse, am oberen Ende immerhin schwimmender Schrott.

“Viele von ihnen haben zudem auf ihrem Weg nach Europa extreme Gewalt und Ausbeutung, etwa in Libyen, erlebt.”

Wäre es dann nicht sinnvoller, NICHT nach Libyen zu fliehen, um dort für tausende Dollar einen Platz in einem schwimmenden Sarg zu ergattern? Nur so als Gedanke. Weil, wer vorher “nur” arm war, ist spätestens dort pleite und hat sich selbst in Umstände gebracht, die möglicherweise sogar ein Asylgrund sein könnten.

“Das fast vollständige Fehlen sicherer und legaler Wege, Asyl zu beantragen oder nach Europa zu migrieren, zwingt Tausende Menschen, ihr Leben an Bord undichter Boote zu riskieren.”

Jetzt wird es langsam spannend. Diese Floskel wird uns noch häufiger begegnen und mit fortschreitendem Text immer hysterischer und maßloser wiederholt werden. Man beachte die geschickte Vermischung von Asyl “oder” Migration.

“Zum anderen ist die gefährliche Flucht über das Meer auch eine direkte Folge der immer restriktiver werdenden EU-Asyl- und -Migrationspolitik.”

Auch das wird in unendlichen Variationen wiederholt werden. Je mehr Europa seine Zuwanderung begrenzt, desto mehr wollen kommen. Schwer zu sagen, was passiert, wenn eines Tages die Grenzen zu sind. Werden dann Milliarden Afrikaner aus Trotz im Mittelmeer ertrinken?

“Die von Ärzte ohne Grenzen betriebenen Rettungsschiffe sind immer in internationalen Gewässern positioniert – meist rund 25 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt, denn von dort aus werden die meisten Notrufe abgesetzt.”

Tja, da sind wir wieder am Anfang. Viel weiter kommen die meisten Boote auch gar nicht. Wozu auch. Damit maximiert sich für die Schlepper der Profit und für die Reisewilligen das Risiko.

“Laut italienischer Gesetzgebung ist das Ignorieren eines Notrufs auf See eine unterlassene Hilfeleistung und kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.”

Das ist richtig. Allerdings gibt es kein Gesetz, das zum Herumlungern vor der libyschen Küste verpflichtet. Ich besitze beispielsweise gar kein Schiff und müsste erst eins kaufen, nachdem ich einen Notruf empfangen habe. Bis dahin sind längst alle an Langeweile gestorben. Der italienischen Polizei war das bisher egal.

“Die Menschen können nicht nach Libyen zurückgebracht werden, da sie dort nicht sicher sind. Gesetzlich ist ein Rettungsschiff dazu verpflichtet, aus Seenot gerettete Menschen an einen sicheren Ort zu bringen.”

Auch dieses Absurditäten-Perpetuum Mobile dreht sich munter unendlich weiter. Viele dieser Leute waren ja nicht unsicher, BEVOR sie nach Libyen kamen und sich in Seenot brachten. Aber gut, spielen wir das Spiel mit: Ein sicherer Ort. Wie wäre es mit Kapstadt? Ist schön da unten. Demokratie, Menschenrechte, Asyl. Alles vorhanden. Warum Europa?!

“Der einzige Weg, um das zu verhindern, ist das Schaffen von sicheren und legalen Alternativen wie beispielsweise Umsiedlung, humanitäre Visa, Familienzusammenführung, Arbeitserlaubnisse für Saisonarbeiter oder Visa für Studierende.”

Warum? Ernsthaft, warum? Wenn jemand in mein Haus will, weil seins nicht so toll ist, und ich schließe die Tür ab, weil ich es kann… dann soll ich ein Fenster offen lassen, damit ihn die Feuerwehr nicht vom Dach retten muss oder er gar von der Leiter fällt bei dem Versuch, über den Schornstein einzusteigen? Das ergibt keinen Sinn.

“Die EU ist dafür verantwortlich, adäquate und proaktive Maßnahmen zur Rettung von Leben im Mittelmeer bereitzustellen.”

Nö. Schlichtweg nö. Auf welcher Rechtsgrundlage denn? Und wie soll man das beispielsweise den Österreichern erklären? Die haben nicht mal eine Küste!

“Die Frontex-Schiffe bleiben, sofern sie nicht aus Rom zu Booten in Seenot beordert werden, in der Regel in der Nähe der europäischen Hoheitsgewässer und navigieren nicht in dem Gebiet, in dem die meisten Boote in Seenot geraten. Wenn die EU diese Aufgabe übernehmen würde, müssten Hilfsorganisationen nicht eingreifen.”

Ja, da hinkt er wieder heran, unser Freund, der schiefe Vergleich. Frontex ist für den Schutz der europäischen Grenzen zuständig. Und die befinden sich nun mal in der Nähe von Europa. Sonst wären sie ja die afrikanischen oder amerikanischen oder sonstwas für Grenzen. Frontex hat keine Schlepper dazu ermuntert, untaugliche Boote vor der libyschen Küste havarieren zu lassen. “Jemand” anders schon. Ich schaue Dich an, Ärzte ohne Gewissen. Äh, Grenzen. Ohne Grenzen natürlich. Zumindest ohne Schamgrenzen:

“Asylsuchende müssen dringend die Möglichkeit bekommen, legal die Grenzen in die EU sowie innerhalb der EU zu überqueren. Außerdem müssen effektive Strategien der Umsiedlung von einem EU-Mitgliedsstaat in andere eingerichtet werden. Die Möglichkeit des Asylantrags muss an Eintrittspunkten sowie innerhalb von Europa und entlang von Migrationsrouten gewährleistet sein.”

Ist das so. Was nun, Migration oder Asyl? Es gibt kein Recht auf Migration. Wenn ich woanders wohnen will, warum auch immer, dann setzt das das Einverständnis der dort bereits Wohnenden voraus. Asyl ist klar geregelt, der Antrag wird im Ankunftsland gestellt. Zu welchem Zweck sollte jemand legal innerhalb der EU weiterflüchten dürfen, um dann nach Lust und Laune da Asyl zu beantragen, wo es grad beliebt? Ist Italien jetzt auch kein sicheres Land mehr? Welchen Status hat so jemand dann bis zum erfolgten Antrag? “Unentschlossener”?

“Es sind nicht die Rettungsschiffe, die Menschen zur Flucht über das Meer treiben. Es sind Konflikte, extreme Armut und Ungleichheit, die Millionen Menschen dazu bringen, anderswo Schutz zu suchen.”

Okay, jetzt sind wir also schon bei Armut und Ungleichheit angelangt. Läuft das auch noch unter Asyl? Was kommt als nächstes? Schlechtes Wetter als Asylgrund? Ja, ich verstehe das, es geht nicht allen Menschen überall gleich gut. Nicht mal in Europa. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zwischen “Schutz suchen” und “Schöner wohnen”. Ärzte sollten den kennen. Falls nicht, zelte ich demnächst auf dem Golfplatz.

“Die Menschen werden nicht aufhören, das Mittelmeer zu überqueren, weil Europa ihnen den Rücken kehrt.”

Das kann sein. Aber dann müssten wir ihnen nicht beim Ertrinken zusehen. Klingt makaber, ist aber anatomisch korrekt.

“Es ist unmoralisch und grausam, darauf zu spekulieren, dass es die Menschen abschreckt, wenn man Flüchtende ertrinken lässt.”

Reden wir mal über Moral und Grausamkeit, wenn 500 Millionen Afrikaner nach Europa gekommen sind. Oder eine Milliarde. Wann ist es euch genug? Ich würde sogar ein Boot vor laufenden Kameras versenken, wenn das abschreckend genug wäre, damit Tausende andere den Blödsinn lassen und nicht ertrinken. DAS ist grausam! Definitiv strafbar. Ist es unmoralisch? Keine Ahnung. Das müsste eine höhere Instanz entscheiden.

“Selbst die großangelegte italienische Operation Mare Nostrum, die von 2013 bis 2014 zur Seenotrettung durchgeführt wurde, hat nachweislich nicht zu einem Anstieg an Ankunftszahlen geführt.”

2012: 15.900
2013: 40.000 <—
2014: 170.760 <—
2015: 153.946
2016: 181.126

Quelle: Frontex [2]

Nach 2014 ist die Zahl deutlich gesunken. Ab 2015/2016 sind verstärkt private “Retter” unterwegs und es geht wieder “bergauf”. Es wäre zwar falsch, den Zusammenhang ausschließlich darin zu suchen. Aber das ist die Aussage der Ärzte ja auch.

“Schleusen ist ein Geschäft, das die Not der Menschen ausnutzt.”

Gut erkannt. Dem habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Denkt mal in Ruhe drüber nach, wenn ihr mit dem Geld zählen fertig seid. Und jetzt kommt eine ganz besondere Glanzleistung:

“Ärzte ohne Grenzen ist nicht bekannt, dass Schlepper Menschen auf den Booten die Nummern von Hilfsorganisationen geben. […] Ärzte ohne Grenzen selbst hat nie direkte Anrufe von Schleppern oder Menschen auf den Booten bekommen. Die italienische Leitstelle zur Koordination der Seenotrettung eindeutig der Ausgangspunkt für jede Kontaktherstellung. […] Es ist jedoch bekannt, dass Mitglieder von Migrantengruppen und Aktivistennetzwerke extra Hotlines für Menschen in Seenot eingerichtet haben, deren Notrufe dann an die italienische Leitstelle weitergeben werden (zum Beispiel ‘WatchTheMed-Alarmphone’).”

Ja, richtig gelesen. Die Schlepper rufen nicht die NGOs an. Die sind ja nicht doof. Die rufen eine extra dafür eingerichtete Hotline an, die wiederum ruft die Seenotrettung an und die Leitstelle schließlich klingelt mal bei den Ärzten an. Und dann müssen sie natürlich helfen. Wo sie eh schon mal vor Ort sind. Alles ganz legal. Tja, da kann man einfach nichts machen.

“In manchen Berichten verweist Frontex auf ‘unbeabsichtigte Folgen’ der Such- und Rettungseinsätze, bei denen Schlepper die rechtliche Rettungsverpflichtung von anderen Akteuren ausnutzen. In diesem Sinne können Rettungsaktionen auf See von den Schleppern genutzt werden, um für ihre Aktivitäten zu werben.”

So kann man das auch formulieren. Sozusagen versehentlich ausgenutzt. Auch da kann man leider nichts machen. So sind die Menschen. Schauen wir mal, wie die schwimmenden Ärzte das sehen:

“Während wir diese Folge nicht ausschließen können, glauben wir nicht daran, dass die Präsenz von Hilfsorganisationen entscheidend ist.”

Okay, einfache Gegenfrage: Wäre es denn vorstellbar, dass sich diese “Folge” durch die Abwesenheit der “Hilfsorganisationen” ausschließen lässt? Daran glaube ich schon. Nein, ich bin mir da eigentlich sogar sehr sicher.

“Durch das Fehlen eines engagierten und ausschließlich darauf zielenden Such- und Rettungsmechanismus der EU sterben Menschen auf dem Mittelmeer. Durch die Wahl der EU, in Überwachungs- statt von Rettungsmaßnahmen zu investieren, sterben Menschen auf dem Mittelmeer.”

Falsch. Die sterben, weil sie für zuviel Geld, das sich daheim sicher sinnvoller investieren ließe, in ein völlig ungeeignetes Verkehrsmittel steigen, um sich illegal Richtung EU auf den Weg zu machen. Was mit hoher Wahrscheinlichkeit doch oft glückt, weil das Taxi schon vor der Küste wartet. Sollen wir eine Brücke übers Mittelmeer spannen, damit sie zu Fuß rüber schlendern können?

“Es gibt keinerlei strafrechtliche Ermittlungen gegen Ärzte ohne Grenzen.”

Noch nicht. Das wird. Fühlt euch ruhig schon mal beobachtet.

“Doch Asylsuchende und Geflüchtete sind auf der Suche nach Hilfe und Schutz und keine Terroristen.” Ich frage mich, wie sie das beurteilen können, denn: “Wir sind keine Polizei, sondern Ärzte, die nur auf dem Mittelmeer sind, um Leben zu retten.”

Ob die wohl einen Schnelltest entwickelt haben, mit dem man das feststellen kann? Das wäre eine medizinische Sensation. Man steckt sich eine Sonde in den Arsch und nach 30 Sekunden blinkt ein Lämpchen: ISIS. Oder auch nicht …

Tja. Also irgendwie waren Ärzte auch schon mal hilfreicher. Vielleicht sollte man ihnen doch ein paar Grenzen setzen.

Bin ich schon wieder zynisch? Ja, kann sein. Ich ertrage diesen Unfug einfach nicht mehr! Und nein, ich möchte NICHT, dass irgendwer ertrinkt. Wahrscheinlich gibt es sogar bei “Ärzte ohne Grenzen” ein paar gute Menschen, die aufrichtig helfen wollen. Offenbar gibt es dort aber auch reichlich Gutmenschen, die aus Dussligkeit oder absichtlich alles noch schlimmer machen. Und ziemlich sicher gibt es sehr viele Spender, die nicht die geringste Ahnung haben, dass sie da statt Impfungen und Operationen eine Flotte von Migrationstaxis finanzieren.

P. S.: Wer denkt, dass ich da zu hart bin, weil ich den armen Leuten kein schönes Leben gönne, kann gerne mal nachrechnen, wie viele Menschen man mit 20 Milliarden Euro jährlich in Afrika durchbringen könnte. Das ist grad mal der Betrag, den allein Deutschland für die Bewältigung der “Flüchtlingskrise” hierzulande aufwendet. Dort ist das Leben billig, es gibt reichlich Platz und die Heizkosten sind überschaubar. Afrika könnte ein Paradies werden. Oder Europa wird ein zweites Afrika. Wir sollten uns nur langsam mal entscheiden.

[1] https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/fluechtlinge-rettung-mittelmeer-faq
[2] http://frontex.europa.eu/trends-and-routes/central-mediterranean-route/

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